Ich sitze auf einer hölzernen Bank, esse einen Sesamkringel und beobachte eine schwarze Katze, die auf einem Baum sitzend, ihr Maul aufgeregt öffnet und schließt. Ihr Blick geht in Richtung einer Gruppe von Tauben und Möwen, die sich auf dem grünen Rasen entspannt einigen stattlichen Brotstücken widmen. Kein hektischen Picken, kein nervöses Zerren an der Beute. Es ist genug für alle da. Die Katze hat sich inzwischen auf Höhe der Vögel herunter bewegt und lauert ihnen hinter einer kleinen Hecke, die kaum ihren halben Körper bedeckt, auf. Weder Vertreter der Gattung Taube noch Möwe scheinen sich durch sie gestört zu fühlen. Es könnte daran liegen, dass die Körpergröße der Katze kaum die ihrer vermeintlichen Beute überragt. Sie wagt keinen Angriff obwohl die Tiere nur noch wenige Zentimeter von ihr entfernt sind. Der parkähnliche Platz zwischen der Blauen Moschee und der Hagia Sophia ist ein schmuckes Revier für diese Tiere. Kleine geschwungene Metallbögen trennen den grünen Bereich von dem gepflasterten Terrain, auf dem sich vornehmlich Touristen tummeln. Als Stadttiere an den Geräuschpegel der vorbeifahrenden Autos und Busse, der sich lauthals zurufenden Menschen und der sich im Gesang an verschnörkelten Tonhöhen zu überbieten versuchenden Muezzine, gewöhnt, können sich diese Tiere unbehelligt der Menschenmassen frei bewegen. Gern gesehen sind dennoch liegen gelassene Leckereien der Zweibeiner. Da ich an einem regnerischen Tag fernab der Hauptsaison hier bin, genieße ich die Abwesenheit der in den Reiseführern prognostizierten Touristenströme, lausche den hochtönenden Gebetsklängen, bestaune unterschiedlichste Modelle von Regenschirmen – wobei transparentes PVC dominiert – und erfreue mich an der Präsenz der Tiere.
Gestärkt vom recht krossen Sesamsamengebäck, entscheide ich mich dafür, einen Blick ins Innere der Hagia Sophia zu werfen. Weltkulturerbestätten sollten besichtigt werden, vor allem wenn sie nur wenige Meter von einem entfernt sind und gleichzeitig Schutz vor Regen bieten.
Bei spät abendlicher Ankunft am Flughafen Istanbuls und anschließender Fahrt in einem Taxi, verliere ich kurzzeitig den Glauben an die Schönheit dieser Stadt. Während sich meine Begleitung nicht davon abhalten lässt, für 21 Türkische Lire (ca. 7 EUR) einen Big King Burger zu kaufen, um damit die Abwesenheit von inkludiertem Essen bei Pegasus Airlines auszugleichen, checke ich die Gebühren für den angebotenen Shuttle-Service aus und befinde diesen für zu teuer. Da wir keine alternative Transportmöglichkeit sehen, steigen wir in das Taxi, dessen Fahrer selbstredend unser Gepäck greift und mit Bestimmtheit in seinem Kofferraum verstaut. Er fragt nach unserem Zielort und entgegnet uns daraufhin, er kenne weder das Hotel noch wisse er wo die Adresse sei und fordert uns auf, diese zu googeln. Dafür stellt er uns netterweise sein Smartphone zur Verfügung. Eine Markierung bei Google Maps vor Augen, hält der Taxifahrer am Straßenrand an, um zu überlegen, wie er am besten fahren solle. Während wir auf einer großflächigen Markierung halten und die rote Digitalanzeige des Taxameters fortwährend neue Zahlen schreibt, wachsen in mir Unruhe, Ungeduld und Argwohn. Wenn man in eine fremde Stadt kommt und dort in ein Taxi mit passendem Landes- und Städtekennzeichen steigt, hofft man auf einen ortskundigen, trotz eventueller Ahnungslosigkeit Souveränität ausstrahlenden vorübergehenden Begleiter.
Vor allem, wenn man der Landessprache nicht mächtig ist, um sich erklären zu können. Der Taxifahrer versucht nicht ansatzweise seine eigene Unsicherheit zu verbergen. Google Maps dient ihm als selbstverständliches Navigationsgerät und schon bald können wir die Bushaltestelle verlassen auf der wir in Zeiten der Planlosigkeit parkten. Er fährt drauf los, da alle Richtungen zunächst in eine Richtung führen – weg vom Flughafen. Google Maps stellt sich als ungünstige Methode zum Navigieren heraus, da er beim erforderlichen Blick auf den Bildschirm schlecht telefonieren kann, was scheinbar eine seiner großen Leidenschaften ist. Deshalb ruft er kurz jemanden an, um zu erfahren, wohin er uns fahren muss und legt die restliche Fahrt sein Handy nicht mehr aus der Hand, außer um den nächstmöglichen Gesprächsteilnehmer aus seiner Kontaktliste auszuwählen. Dreiste Spurwechsel- und Drängelmanöver von unzähligen Autos und Bussen auf einer circa achtspurigen Straße lenken mich zwischendurch von meinem nun weitgehend unentspannten Zustand ab. Wir passieren eine riesige Brücke und der Fahrer unterbricht kurz sein Telefonat, um uns zu sagen, dass wir in diesem Augenblick die asiatische Seite hinter uns lassen. Mit rasantem und unaufhörlichem Anstieg des Taxameters schlägt meine positive Ankunftsaufregung in Ernüchterung um, vor allem beim Anblick der kargen Betonwüste zur rechten und linken Seite der Schnellstraße.
Wir passieren vorwiegend mehrstöckige Betonklötze. Ein Plattenbau reiht sich hier an den nächsten. Es ist, als würde man gleichzeitig durch ein Industriegebiet und ein Viertel für Sozialwohnungen fahren, wenig orientalisch.
Vor der Reise informierte ich mich bezüglich der Durchschnittskosten einer Taxifahrt vom Flughafen zu unserem Hotel. Das Taxameter hat den üblichen Preis inzwischen bei Weitem überschritten. Dafür baut der Fahrer in seine Route immer kreativere Schlenker ein, sodass selbst ein Ortsfremder anhand der Wegweiser erkennen kann, dass wir hübsche Bögen um das eigentliche Ziel fahren. Wie ärgerlich, wenn man merkt, dass man abgezockt wird und dies nicht in der Landessprache kommunizieren kann. Sein Englisch ist sehr schlecht. Die internationale Zeichensprache für „Könnten Sie uns bitte nicht übers Ohr hauen“ ist mir leider entfallen. Ich frage ihn hingegen mit einfachen und klaren Worten, die sich mittlerweile mit Wut paaren, ob er scherze, nachdem er endlich vor unserem Hotel hält – ja, es trägt den korrekten Namen – und einen utopischen Betrag nennt, den wir ihm zu zahlen hätten. Auf den dreistelligen Betrag, der in der Nähe seines Lenkrades angezeigt wird, schlägt er zusätzliche Mautkosten, die preislich nichts mit der real gezahlten Maut zu tun haben, sowie eine Art Servicesteuer für seine Dienste, die sich auf fast 10 EUR belaufen. Ich versuche mit ihm zu diskutieren. Er zitiert den Hotelmanager heran, welcher dafür sorgt, dass wir nicht den vollen Preis zahlen müssen. 10 Minuten, eine Zigarette, sowie ein Willkommensdrink später, erfahren wir, dass es eine Beförderungsmöglichkeit gegeben hätte, mit der wir nur ein Zehntel des Taxispaßpreises gezahlt hätten – ein Bus ab Taksim. Das merken wir uns für die Rückreise vor. Jetzt wollen wir endlich einchecken.
Angekommen in unserem Zimmer im 7. Stock, genießen wir den Blick durch die große Fensterfront nach draußen. Nachdem wir ein kastenförmiges Hochhaus vor uns bemerken, das unseren Weitblick etwas eingrenzt, erregt ein permanentes Klopfen, was aus dem Bad zu kommen scheint, unsere Aufmerksamkeit. [Tbc]
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